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von Linus (Jg. 9) und Artur (Jg. 7)
„Vielfalt kann vielleicht manchmal anstrengend sein. Aber in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft zu leben, ist es wert, sich anzustrengen. Wir wollen die Demokratie feiern und verteidigen,“ heißt es in dem Aufruf zur Demonstration „Demokratie feiern“ am 9. März 2024. Veranstaltet wurde die Demo vom Rasteder Bündnis „Demokratie stärken“, das aus 23 Organisationen besteht. Hintergrund waren die hohe Zustimmung für die AfD (eine Partei, die als fremdenfeindlich gilt) und die Zunahme von Rechtsextremismus. Im Januar hatte das Recherche-Team CORRECTIV einen Bericht über ein Treffen von Neonazis veröffentlicht, bei dem über die Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund nach Nordafrika gesprochen wurde. Daraufhin haben in ganz Deutschland immer mehr Menschen gegen Fremdenfeindlichkeit demonstriert. Im Ammerland fanden in Westerstede, Edewecht und Bad Zwischenahn Demonstrationen statt. Daraufhin hatte Andreas Daries die Idee, auch in Rastede ein Bündnis zur Stärkung der Demokratie zu gründen. Diesem traten unter anderem verschiedene Parteien, Klima- und Umweltschutzverbände, weitere Vereine, Firmen und die Jugendgruppe alive bei. Von der KGS machten die Schüler*innenvertretung, die LGBTQ+Initiative, die AG „Für den Frieden“ und IRREGULäR mit, um für Menschenwürde und gegen Rassismus einzustehen.
Vor der Demonstration waren schon die Mitglieder des Workshops „Veranstalltungstechnik“ von der Jugendgruppe „alive“ am Rathaus, um Lautsprecher und Mikrofone aufzubauen.
Am Tag vor der Demo hatte die Schüler*innenvertretung zu einer Malaktion aufgerufen. Die Demo-Schilder mit Sprüchen gegen Rechts, die dabei entstanden sind, wurden vor dem Rathaus bereitgelegt.
Nach und nach fanden sich die ersten Teilnehmer*innen ein. Auch auf den Westen der Ordner*innen waren lustige Sprüche.
Die Wiese vor dem Rathaus füllte sich schnell. Unter den Teilnehmer*innen waren viele Schüler*innen der KGS Rastede.
Andreas Daries begrüßte die Teilnehmer*innen und moderierte die Kundgebung.
Carsten Mönnich und Maria Borchers begleiteten die Kundgebung musikalisch. Zuerst spielten sie den Song „Nothing ever happens“ von Del Amitri, in dem es um eine eine gleichgültige und erstarrte Gesellschaft geht.
Als erste Rednerin trat Geli Wald auf. Sie machte den Teilnehmer*innen bewusst, welche Errungenschaft das Grundgesetz ist:
75 Jahre Grundgesetz – was für ein Grund zum Feiern!
Ich bin ein Jahr nach unserem wunderbaren Grundgesetz (das beste auf der Welt!) geboren – welch ein Grund, dankbar zu sein!
Welch eine Sicherheit als Lebensgrundlage!
Gleichwohl habe ich die Auswirkungen der schrecklichen Nazizeit erlebt: Mein Vater ist als 15-Jähriger noch in den letzten Kriegsmonaten eingezogen worden. Sein Vater – mein Großvater – kam erst 1950 krank und traumatisiert aus russischer Gefangenschaft zurück. Meinen anderen Großvater habe ich nie kennengelernt – er gilt als vermisst im Krieg. Seine Witwe – meine Großmutter – ist am Leben verzweifelt und hat es 1955 selbst beendet. Als Kind habe ich in Kassel auf Trümmern gespielt – für uns Kinder damals ein Abenteuerspielplatz. 1961 habe ich auf dem Mädchen-Gymnasium (Northeim) im Musikunterricht das „Horst-Wessel-Lied“ lernen und laut mit der Klasse singen müssen. (Es ist gut, wenn ihr Schüler*innen es nicht kennt. Es ein Lied der SA.)
Ich wusste damals ganz genau, wogegen ich war: gegen diesen ganzen Nazi-Scheiß, der so viel Leid und Unheil über Jahrzehnte und für Generationen angerichtet hat. Aber ich musste mich auch erst in den 60er Jahren, den Nachkriegsjahren, Aufbruchjahren und Wirtschaftswunderjahren, orientieren. Vorbilder gab es nicht. Die Kuba-Krise (1962) brachte uns fast an den Rand eines Atomkrieges. Ich hatte Angst, es gab aber niemanden, mit dem man darüber sprechen konnte. (Zu der Zeit hatten nicht mal alle Haushalte einen Fernseher. Ich hörte Radio – auch amerikanische Sender).
Wir Jugendlichen demonstrierten für Frieden, gegen den Vietnamkrieg, für die Bürgerrechte der Schwarzen – Martin Luther King wurde ein großes Vorbild für mich. Ich war mit Studenten in Göttingen auf den Demos, lernte unterschiedlichste Menschen aus vielen Ländern und Kulturen kennen, reiste viel, diskutierte und erlebte. Ich skandierte auf der Straße mit – oft habe ich erst später die politischen Zusammenhänge verstanden. Wenn Sprache ein Hindernis war, konnte Musik einen Zugang zu bieten.
Musik spielt in meinem Leben nach wie vor eine große Rolle, aber über Musik konnte auch schon immer manipuliert werden. An dieser Stelle ein Appell – besonders an die jungen Menschen: Der Einfluss von Musik ist gerade bei jungen Menschen riesig. Seid wachsam, lasst euch nicht einlullen von Rhythmen und Texten, die ihr nicht versteht. Denkt darüber nach, WAS ihr da mitgrölt. Hinterfragt! Lasst euch nicht flashen von den subtilen Botschaften auf TikTok oder sonstwo. Sucht das Gespräch, den Austausch mit echten Menschen, deren Ziel NICHT die Aushöhlung und Untergrabung unserer Demokratie ist. Es ist unglaublich wertvoll, auf dem Boden des Grundgesetzes, diese Demokratie als Lebensform zu haben. Natürlich ist nicht alles toll, es gibt unglaublich viele Baustellen und Herausforderungen. Aber dafür können wir alle mitgestalten.
Guckt, wer neben euch lebt, findet Menschen, die konstruktiv mitgestalten wollen. Bringt euch ein. Für eine wehrhafte Demokratie! Lasst keinen am Rand zurück. Für eine solidarische Gesellschaft – gegen jede Form der Ausgrenzung!
Der zweite Redebeitrag kam von Fynn Ole Bruns. Er stellte eine Dystopie vor und rief dazu auf, sich politisch zu engagieren:
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
mein Name ist Fynn Ole Bruns und ich möchte euch eine Dystopie vorstellen – eine Dystopie, die vielleicht unwahrscheinlich erscheinen mag, aber keineswegs aus der Luft gegriffen ist.
Stellt euch vor, wir befinden uns in der Zukunft, etwa in 10 Jahren. In dieser Zeit wird Deutschland von extremistischen Gruppen bzw. Nazis regiert. Tag für Tag erleben wir Abschiebungen, sodass über 12 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen müssen. Zur Veranschaulichung: Das bedeutet, dass jeder Siebte von uns betroffen wäre. Keiner von uns wäre davor sicher. Rechtsweg ausgeschlossen.
Zugleich würden unsere Grundrechte immer weiter eingeschränkt, und Andersdenkende stigmatisiert. Ein völkisches nationales Gedankengut verbreitet sich wie ein flammendes Feuer, das Hass, Hetze und Ausgrenzung schürt. Die Wirtschaft gerät ins Wanken, Deutschlad tritt aus der Europäischen Union aus und wird international isoliert. Daraufhin kommt es zu einer Welle von Massenarbeitslosigkeit in unserem Land, die Kriminalität nimmt rasant zu. Ebenso die Unzufriedenheit in unserer Gesellschaft.
Zurück ins Jahr 2024. Lasst uns diese düstere Dystopie nicht Realität werden lassen! Es gibt einen Weg, wie wir das verhindern können und der beginnt genau hier und jetzt!
Wir treten aktiv für unsere Demokratie und Werte ein und gehen auf die Straße!
Engagiert euch auch in Verbänden oder werdet Mitglied in einer Partei. Das sind die Plattformen, auf denen demokratische Werte dauerhaft verteidigt werden können. Egal, ob es konservativ, liberal, grün oder sozial ist. Setzt euch mit den unterschiedlichen Parteien im demokratischen Spektrum auseinander und werdet Mitglied! Es liegt an uns allen, uns aktiv für unsere Werte einzusetzen und uns gegen jegliche Form von Rechtsextremismus und Unterdrückung zu stellen.
Es geht um alles! Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass unsere Demokratie stark bleibt und dass eine solche dystopische Zukunft niemals Realität wird.
Anschließend erklärte Silke Lorenz vom NABU Rastede, wie Rechtsextreme ökologische Fragen für menschenfeindliche Ideologie missbrauchen:
Mein Name ist Silke Lorenz, ich engagiere mich beim Naturschutzbund in Rastede. Die Ortsgruppe Rastede ist demokratisch eingegliedert im NABU Deutschland. Im NABU engagieren wir uns für Mensch und Natur und stellen unser politisches und praktisches Handeln für den Natur- und Umweltschutz ins Zentrum unserer Arbeit.
Zugleich sind wir eingebettet in einen demokratischen Rechtsstaat, der uns unterstützende Beteiligung sichert, der allen Menschen in Deutschland die Freiheit zum selbstgestalteten Handeln für Natur- und Umweltschutz ermöglicht und der sanktionsfreie Kritik an den Regierenden sowie politischen Streit ermöglicht.
Naturschutz ist ein Anliegen des Gemeinwohls. Er ergibt sich nicht aus dem freien Spiel der Kräfte in einer Wettbewerbsgesellschaft, sondern muss durch politische Regelungen gegen die allgegenwärtigen Nutzungsinteressen gesichert werden. Dafür brauchen wir demokratische Mehrheiten, deren Zustandekommen von einer gemeinsamen Grundwertebasis abhängen, damit über deren optimale Ausbalancierung zwischen Nutzen und Schützen in den Parteien dann immer noch intensiv gestritten werden kann. Wer Natur- und Umweltschutz will, muss demokratisch wählen!
In diesem Jahr feiert der Naturschutzbund sein 125-Jähriges Jubiläum. Gegründet wurde er seinerzeit als Bund für Vogelschutz von der linksliberalen – bemerkenswerten Frau – Lina Hähnle, deren Familie im linksliberalen Flügel der damaligen Reichspolitik verankert war. Sie führte ihn fast 40 Jahre über durch das autoritäre Kaiserreich, die Weimarer Demokratie und bis 1938 in die NS-Diktatur. Sie formte ihn zu einem höchst modernen Verband. Damals schon hatte sie das Bestreben, den Naturschutz allen Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen bis zu dem Zeitpunkt, wo der Bund für Vogelschutz mit anderen Natuschutzorganisationen dem NS-Regime gleichgeschaltet wurde und sie schließlich den Vorsitz im Alter von 80 Jahren abgeben musste.
Wie wir aus unserer anschließenden Geschichte wissen und nachlesen können, bildete in den dunklen Zeiten der Naturschutz mit völkischen Ideologien, Rassismus und Antisemitismus eine Einheit. Die Gefahr der Interventionen im Naturschutz ist immer noch real bzw. flammt immer wieder auf. Die sogenannten Neu-Rechten äußern sich nicht nur mit dem Slogan „Ökologie ist rechts!“ (mit dem Ziel, den Grünen den Umweltschutz abzunehmen), sondern fordern auch wieder eine kulturelle Homogenität in unserer Gesellschaft. Es ist ein Versuch, ökologische Fragen für eine antidemokratische und menschenfeindliche Ideologie zu missbrauchen und steht im Widerspruch zu den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung, die auf sozialer Gerechtigkeit, globaler Solidarität und demokratischer Teilhabe beruhen.
Der NABU hat in seiner heutigen Satzung klar Stellung für eine offene und an den Menschenrechten orientierte Gesellschaft bezogen. Er behält sich sogar vor, sich von Menschen, die diese Werte nicht teilen als Mitglieder zu trennen bzw. diese nicht aufzunehmen. Die Freiheit, unser Handeln selbstbestimmt auszurichten und gesellschaftlich für unsere Themen zu streiten, ergibt sich aus den Möglichkeiten, die der demokratische Rechtsstaat bereitstellt.
Der NABU steht in seiner Tätigkeit als verbindendes Element zwischen Nationalitäten, Kulturen, Religionen und sozialen Schichten. Er bietet den Mitgliedern unabhängig von Geschlecht, Abstammung, Hautfarbe, Herkunft, Alter, Glauben, sozialer Stellung oder sexueller Identität eine Heimat. Für diesen Rahmen müssen wir gemeinsam zukünftig stärker streiten, insbesondere weil dieser Rahmen aktuell von einigen politischen Kräften massiv infrage gestellt wird.
Nie wieder ist jetzt!
Auch Stefan Mester von Fridays For Future betonte den Zusammenhang von Demokratie und Klimaschutz:
Ich spreche heute für Fridays For Future. Unser Thema ist der Klimaschutz – da machen wir den Menschen in politischer Verantwortung Druck und haben auch schon vor diesem Rathaus harte Worte dafür gefunden. Heute aber soll es um etwas anderes gehen. Denn nachdem wir seit nun fast 80 Jahren in dieser Bundesrepublik leben dürfen, kommen heute wieder dunkle Geister aus ihren Löchern und wollen in diesem Land eine 180-Grad-Wende einleiten.
Die Demokratie ist stark, aber sie basiert auf Vertrauen und Stabilität. Und deshalb ist es kein Zufall, dass die Faschisten nicht nur Deportationspläne schmieden, sondern auch die Klimakrise leugnen. Sie spüren die Unsicherheit, die sich durch erstarkende Krisen verbreitet und sie wissen, wie sie diese Unsicherheit abschöpfen können. Sie brauchen die Unsicherheit, damit sie uns spalten können. Sie denken das alles zusammen: Deportation, Klimaleugnung, Abschaffung der EU, die eine nie dagewesene Friedenszeit ermöglicht hat. Die Faschisten denken das alles zusammen und deswegen sagen wir:
Klimaschutz braucht Demokratie und Demokratie braucht Klimaschutz!
Wir mögen unterschiedliche Vorstellungen haben, wie wir die Welt zu einer besseren machen wollen. Aber genau dieser gemeinsame Nenner – „Die Welt zu einer besseren machen“ – das unterscheidet uns von den Faschisten. Lasst uns mit diesem Bewusstsein sagen: Wir sind die Brandmauer, geschlossen Seite an Seite für die Demokratie!
Die Proteste geben uns Kraft und sie geben auch Hoffnung: Denn während die Zahlen nach wie vor hoch sind, geht die Zustimmung zur AfD doch zurück und das zeigt vor allem eins: Nichts ist in Stein gemeißelt, die Menschen, die bei Befragungen am Telefon ihre Stimme der AfD geben wollen, sind nicht hoffnungslos verloren. So gefährlich das Spielen mit dem Faschismus ist, wir können diese Menschen wieder gewinnen. Seit den Recherchen von Correktiv über die Deportationspläne aus Wannsee-ähnlichen Gemäuern sprechen manche Umfragen von bis zu fünf Prozent weniger Zustimmung für die AfD. Das sind drei Millionen Bürger*innen und für diese Menschen müssen wir immer offen sein und eine Hand bereithalten – wenn sie denn zurückkehren wollen in den demokratischen Diskurs.
Ich möchte aber ausdrücklich davor warnen, sich zu früh zu freuen: Es ist eine Umfrage, aber die Gewalt, den Terror den Menschen schon heute in AfD-Hochburgen fürchten müssen, ist unerträglich. Es sind nicht nur Klima-Aktivist*innen, die in „Seehausen von Brandanschlägen und Schussattacken in Ku-Kux-Klan-Kostüm bedroht werden“. Es trifft alle Menschen, die sich in kleinen ostdeutschen Orten gegen den Extremismus erheben! Man braucht so viel mehr Mut, in Ostdeutschland sein Stimme zu erheben und umso wichtiger ist es, dass wir heute hier in Rastede so einfach unsere Stimme erheben können. Deswegen möchten wir einmal einen ganz starken, solidarischen Gruß rufen – an die tollen Menschen, die heute in Jüterbog, Neuruppin oder Zittau demonstrieren:
Wir sehen euch, wir stehen gemeinsam, Seite an Seite mit euch!
Hass tötet – und es ist kein rein ostdeutsches Phänomen – der Jahrestag von Hanau ist nur wenige Tage her und auch der Mord an Walter Lübcke scheint im tagespolitischen Diskurs verschollen zu sein. Wannsee war 1942, Wannsee verhindert man nicht 1942 und auch nicht 1933. Wannsee verhindert man 1924 und deswegen bilden wir heute, 2024, spät, aber hoffentlich rechtzeitig, die Brandmauer. Wir gemeinsam – die Demokrat*innen – wir stellen uns in den Dienst dieser Republik. Wir sagen gemeinsam: „Nie wieder!„
Wir stehen geschlossen, Seite an Seite für die Demokratie, aber gleichzeitig möchte ich als Vertreter einer Nicht-Regierungs-Organisation auch einen Apell an die demokratischen Parteien richten: Das massenhafte Aufstehen gegen den Faschismus ist ein Weckruf, aber gleichzeitig erwarten die Bürger*innen auch klare, politische Antworten auf die großen, politischen Herausforderungen – Klimaschutz braucht Demokratie und Demokratie braucht Klimaschutz!
Seit den Protesten ist die Zustimmung fürt die AfD von 22 Prozent auf 17 Prozent gesunken – fürs Erste! SPD, CDU, Grüne, Linke, FDP – macht was draus!
Elias Anisimov von der Schüler*innenvertretung der KGS Rastede berichtete von rassistischen Anfeinungen, die er selbst in Rastede erlebt hat. Mit seinem Schild „ICH BIN RASTEDER“ setzte er ein Zeichen gegen alle, die andere Menschen ausschließen wollen:
Liebe Demokrat*innen,
ich bin Elias Anisimov, 19 Jahre alt und bin seit meiner Geburt in Rastede aufgewachsen. Ich bin sowohl deutscher, als auch russischer Staatsbürger – warum das wichtig ist, dazu komme ich später. Zunächst will ich mit eher deprimierenden Erkenntnissen starten.
Für die Studie der Open Society Foundations von September 2023 wurden junge Erwachsene in über 30 Ländern befragt. Dabei wurde ein großes Misstrauen der jungen Erwachsenen gegenüber demokratischen Strukturen festgestellt. Eine Umfrage der Bertelmanns-Stiftung vom Februar 2024 zeigte, dass in Deutschland ein Drittel aller Schulabgänger*innen ein Misstrauen gegenüber der Demokratie haben. Laut der Shell-Jugendstudie 2019 fühlen sich 74 Prozent aller Schüler*innen und Schulabgänger*innen von der Politik ignoriert und die Tageszeitung „Die Welt“ berichtete 2018, dass nur fünf Prozent aller Lehrkräfte „Demokratie“ als ein Kernthema einstufen. Nicht nur der Deutschlandfunk Kultur berichtet, dass die Chancengleichheit an Schulen scheitert. Und bei uns vor Ort findet man in der KGS Rastede menschenunwürdige Zeichen – wer bereits auf den Toiletten der KGS war, weiß wovon ich rede.
Am 24. Februar 2022 begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zunächst sei gesagt: Slava Ukraini. Auch für mich persönlich war das wahrscheinlich einer der härtesten Tage. Denn am selben Tag erhielt ich ungefähr zehn Anrufe und viele, viele WhatsApp-Nachrichten, in denen ich gehatet und bekämpft wurde, nur weil ich es als Kind cool fand, eine zweite Staatsbürgerschaft zu besitzen. Ich wurde nicht mehr als Mensch, nicht mehr als Elias Anisimov gesehen, sondern ich war „der Russe“, der Fremde. Der Correctiv-Bericht vom 10. Januar 2024 bestärkt dieses Gefühl. Dieses Mal hetzten AfD und andere Neonazis grundlegend gegen „Ausländer“. Ihre „Remigrationpläne“ machten allen Menschen Angst, vor allem unseren Kindern und Jugendlichen.
Liebe Demokrat*innen, an dieser Stelle bin ich stolz auf unsere Kommune und unsere Region! Kirchen, Vereine, neugegründete Organisationen und weitere haben den ukrainischen Flüchtlingen geholfen. In den letzten Wochen und Monaten erfolgten zahlreiche große Demonstrationen gegen die menschenunwürdigen Pläne der Rechten. Auch die KGS Rastede führte mit Hilfe der AG „Für den Frieden“ und weiteren Personen immer mehr Aktionen für Toleranz und Vielfalt ein. Und heute sind wir hier versammelt, um die Demokratie zu bewahren. Rastede war, ist und bleibt solidarisch. Die letzten Jahre zeigten mir: Ich bin nicht fremd, ich bin Rasteder und ich bin froh, Rasteder zu sein. Ich werde weiter mich dafür einsetzen, dass ein Mensch ein Mensch bleibt. Ich hoffe ihr auch!
Jedoch wird der aktuelle Erfolg auch von Scheitern begleitet, wenn wir Schulen nicht neu denken. Denn Bildung ist höchstes Gut demokratischer Strukturen. Wenn Demokratie in Schule scheitert, dann scheitert die Demokratie. Auch hierbei will ich unsere Kommune weiter unterstützen. So schafft die Politik Räume für politische Partizipation im Unterricht, zum Beispiel war das Demokratieprojekt SARA von Erfolg gekrönt und der Schülerinnenhaushalt wurde beschlossen.
So muss das weiter gehen, liebe Demokrat*innen! Wenn wir weiter Menschen mit Migrationshintergrund in Schulen strukturell einschränken, dann schaffen wir keine Akzeptanz für solche Menschen, dann kann die AfD weiter mit KI-Bildern, Populismus und Hetze gegen Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund kämpfen und bleibt erfolgreich.
Als Symbol dafür, wie wir mit einander umgehen sollten, habe ich heute diesen Stuhl mitgebracht. Er steht für die folgenden Gedanken:
Setze dich an meinen Tisch, egal, welche Nationalität, welches Geschlecht, welche sexuelle Orientierung du hast! Wir müssen reden.
Zum Abschluss der Kundgebung begeisterte der Gospelchor der evangelischen Kirche die Teilnehmer*innen mit einem Lied über Demokratie.
Mitglieder der evangelischen Gemeinde haben einen Regenbogen mit der Aufschrift „Unsere Welt ist bunt – Gott sei Dank!“ mitgebracht.
Eine weitere Gruppe waren die „Omas gegen Rechts“. Diese Initiative gibt es in ganz Deutschland sowie in Österreich und in der Schweiz.
Nach der Kundgebung demonstrierten die mehr als 600 Teilnehmer*innen durch den Ortskern und brachten ihre Einstellung für Vielfalt und gegen Rechtsextremismus durch die kreativ gestalteten Schilder zum Ausdruck.
IRREGULäR hat sich an dem Bündnis „Demokratie stärken“ beteiligt, weil es wichtig ist, sich aktiv gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Linus und Artur haben die Demo für euch dokumentiert.
Für die Foto-Reportage haben viele Leute Fotos und Materialien zur Verfügung gestellt. Besonderer Dank geht an Geli, Fynn Ole, Silke, Stefan und Elias, die uns ihre Redebeiträge gegeben haben.