Influencer beeinflussen das Selbstbild

Veröffentlicht am

von Didem Oba (Jg. 12)

Dass Influencer uns Jugendliche beeinflussen ist offensichtlich. Der Name ist Programm. Wie dieser Einfluss konkret aussieht und ob er möglicherweise auch sehr negativ sein kann, wird zur Zeit häufig diskutiert.
In den letzten drei Jahren sind in meinem Umfeld zwei junge Mädchen an Magersucht erkrankt und ich hatte die Vermutung, dass auch ihre Begeisterung für bestimmte Influencer dazu beigetragen haben könnte. Das war für mich ein Anlass, mich mit dieser Thematik einmal intensiver auseinanderzusetzen.

Influencer erscheinen meist als ganz normale Menschen wie ihr und ich. Sie nehmen ihre Follower (Zuschauer) oft mit in ihren perfekten Alltag. Dabei ist uns meist nicht bewusst, dass die meisten Influencer gar nicht so ein perfektes Leben führen, wie sie es uns glauben lassen. Sie präsentieren ein Leben in den schönsten Städten, mit viel Geld, vielen Reisen, Geschenken und einem makellosem Erscheinungsbild. Jedoch ist uns auch nicht bewusst, dass wir selbst oft auch nur das sehen was wir sehen sollen. Influencer werben außerdem aufgrund ihrer Popularität für bestimmte Produkte und können somit auch schnell zum Kauf eines Produktes verleiten.


Was sind Influencer?

„Als Influencer […] werden Personen bezeichnet, die aufgrund ihrer starken Präsenz und ihres hohen Ansehens in sozialen Netzwerken als Träger für Werbung und Vermarktung in Frage kommen (sogenanntes Influencer-Marketing). […]
Influencer können Politiker, Sportler, Journalisten, Blogger, YouTuber, Prominente und Schauspieler sein, die stark in sozialen Netzwerken tätig sind und viele Follower haben.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Influencer)


Eine Umfrage in der Schule hat ergeben, dass viele Schüler*innen social media nutzen, um Influencern zu folgen.

Ich wollte gern wissen, auf welche Weise Schülerinnen und Schüler von Influencern beeinflusst werden. Daher habe ich eine anonyme Online-Umfrage bei uns an der Schule durchgeführt. Es haben sich sowohl Schülerinnen als auch Schüler beteiligt, die meisten davon zwischen sechzehn und achtzehn Jahren alt. Es hat sich herausgestellt, dass die meisten auf Instagram und Snapchat aktiv sind. Am liebsten folgen sie dort bestimmten Personen des öffentlichen Lebens – Influencer – und das oft mehrmals täglich.
Auch hat sich herausgestellt, dass von den hundert befragten Personen dreiundvierzig schon einmal einer Kaufempfehlung von einem oder mehreren Influencern gefolgt sind. Besonders interessant war, dass sie hauptsächlich Artikel gekauft haben, die das Erscheinungsbild verändern bzw. verändern sollen, wie z.B. Schminke, Akne Cremes, Shakes zum Abnehmen oder Gummibärchen, die das Haarwachstum beeinflussen. Auch wenn es sich dabei auf den ersten Blick nur um eine „kleine“ Kauferscheinungen handelt, sollte man auch diesen Einfluss nicht unterschätzen.

Dass unser Social-Media-Konsumverhalten nicht ungefährlich ist, möchte ich euch auch an Melinas Geschichte veranschaulichen. Melina ist ein 19-jähriges Mädchen aus Hamburg. Sie macht gerade Abitur. Ihren Namen habe ich zum Schutz ihrer Persönlichkeit geändert. Bei meiner Recherche zum Zusammenhang von Influencern und dem Selbstbild von Jugendlichen bin ich in den Medien auf Melinas Geschichte gestoßen. Da ich es gern genauer wissen wollte, habe ich mit ihr Kontakt über Instagram aufgenommen und ihr meine Fragen gestellt. So habe ich auch erfahren, wie ihre Geschichte weiterging.

Vor etwa 4 Jahren ist bei Melina Anorexia nervosa diagnostiziert worden, kurz gesagt Magersucht. Sie hatte sich damals wegen familiärer Probleme zurückgezogen und immer mehr Zeit auf Instagram verbracht. Irgendwann fühlte sie sich von den perfekten Mädchen mit den dünnen Beinen und dem runden Po unter Druck gesetzt. Sie hat dann begonnen, übermäßig viel Sport zu treiben und kaum etwas zu essen:

Ich habe mich in meinem Körper unwohl gefühlt. Als ich dann immer die Bilder von dünnen und schönen Mädchen sah, wollte ich auch einfach so aussehen wie sie – weil ich dachte, dass ich dann glücklich bin.“

Alles, was Melina noch zu sich nahm, hat sie zuerst mit einer Küchenwaage abgewogen, gegessen hat sie im Stehen, weil sie der Meinung war, im Stehen würde sie mehr Kalorien verbrennen. Anschließend musste sie ihrem extremen Bewegungsdrang gerecht werden und trieb Sport. Irgendwann geriet es außer Kontrolle und Melina wurde auf Wunsch ihres Arztes in eine Klinik eingewiesen. Sie selbst und auch ihre Familie haben die Notwendigkeit eines solchen Aufenthaltes anfangs gar nicht einsehen wollen. In der Klinik bekam sie einen strikten Ernährungsplan: Sie sollte mindestens 500 Gramm pro Woche zunehmen, falls dies nicht geschehen würde, würde ihre Kalorienmenge gesteigert. Erst als sie anfing, mit ihrer Therapeutin zu reden und sich auch mit anderen Patienten austauschte, ist ihr klar geworden:

„Ich muss was ändern, dass Leben ist viel mehr als Verzicht.“

Aufgrund familiärer Probleme hat Melina sich zurückgezogen und immer mehr Zeit auf Instagram verbracht.

Das war für Melina der Wendepunkt. Sie akzeptierte, dass sie krank war, und begann gegen die Magersucht zu kämpfen. Melina entschied sich, weiterhin Instagram zu nutzen – aber viel mehr als Tagebuch während ihrer Therapie. Sie postet täglich etwas aus ihrem Alltag und ist mittlerweile selbst Influencerin geworden. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Melina und anderen Influencern: Ihre etwa 30.000 Follower bekommen auch die Schattenseiten ihres Lebens präsentiert. In ihren Livestreams redet sie über ihre Hoffnungen und Ängste und über ihre Krankheit.

Als Influencerin klärt Melina andere über die Krankheit auf. Ihre Follower erfahren, wie schwer der Kampf gegen diese Krankheit ist: Auch vier Jahre später leidet Melina noch an den Spätfolgen. Sie wurde einige Male rückfällig und gerade jetzt hat sich ihr Zustand wieder verschlechtert. Obwohl ihr der Ernst der Lage bewusst ist, wird sie die Magersucht auf Dauer, nicht richtig los.
Spätfolgen sind bei Magersucht übrigens häufig, vor allem junge Mädchen sind davon betroffen. Dies zeigt sich beispielsweise durch ausbleiben der Periode und im Allgemeinen hängt der Körper betroffener Mädchen und Jungen in vieler Hinsicht zurück.

Melinas Beispiel ist nur eins von vielen. Und ich möchte euch mit meinem Artikel darauf aufmerksam machen, dass wir alle viel anfälliger dafür sind, das „perfekte“ Leben oder den „perfekten“ Körper nachahmen zu wollen, als wir vielleicht denken. Die meisten Influencer präsentieren uns eine Scheinwelt, die wir so gar nicht nachahmen können.
Glaubt nicht alles, was ihr seht, und fangt an die Dinge zu hinterfragen!
Ich persönlich folge auf Instagram nicht nur Influencern, sondern auch einer Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hat über den schönen Schein und die Fakes aufzuklären. Die Seite nennt sich @beauty.fake und zeigt wie die „Stars“ wirklich aussehen. Das ist ziemlich interessant, sie sind nämlich alle ganz und gar nicht perfekt. Vielleicht schaut ihr da mal vorbei.

Besonders anfällig für die schönen Scheinwelten der Influencer ist man, wenn man selbst gerade Probleme hat. Falls ihr Probleme habt oder das Gefühl, ihr könntet in eine Magersucht oder andere Sucht (Handy, Computerspiele usw.) abrutschen, solltet ihr euch unbedingt eine/n Ansprechpartner/in suchen. Ihr könnt euch jederzeit an unsere Beratungslehrer Herrn Kayser und Frau Eitel-Harms wenden. Auch die Sozialpädagogen Frau Hannawald-Keller und Herr Pernt unterstützen euch, wenn ihr Probleme habt. Wie die Beratungslehrer haben sie Schweigepflicht.


Eure Vorbilder

In meiner Umfrage hatte ich auch nach euren Vorbildern gefragt. Hier sind einige eurer Antworten:

Leute, die sich aktiv für die Verbesserung der Welt einsetzen.

Ein genaues Vorbild habe ich nicht, jedoch orientiere ich mich teilweise an großen Sportlern oder auch Influencern auf Youtube.“

Eigentlich meine Eltern, aber ich sehe mich selbst als ein Vorbild, wenn ich meine eigenen Fehler erkenne und einfach ambitiös versuche daran zu arbeiten.“

Ein bestimmter Polizist in den USA, kein Influencer.“

Ich bin mein eigenes Vorbild. Denn wie einige sich verhalten, so möchte ich nicht enden.“

Beyoncé, sie ist originell“

Che Guevara. Er ist das Symbol für den Kampf um Freiheit.“

Mein Vater, er hat im Leben viele Tiefschläge erlitten und ist trotzdem immer wieder auf die Beine gekommen!“

Ich versuche mich an Eigenschaften verschiedener Menschen zu orientieren, sowohl Influencer usw. als auch Familienmitglieder und Freunde, weil ich mir daraus ein für mich persönlich perfektes Verhalten „erstellen“ kann.“

Freddie Mercury, weil er genau das gemacht hat, was er machen wollte und nicht auf die Meinung anderer gehört hat (wenn seine Musik oder sein Kleidungsstil angegriffen wurde).“

Da ich später Lehrer werden möchte, sehe ich Frau Berger als Vorbild, da sie es schafft die Schüler für das Fach Mathematik zu begeistern und gleichzeitig eine von den Schülern respektierte Person ist.“


Didem,
Jahrgang 12


Didem hat für ihren Artikel zunächst eine sehr umfangreiche Internet- und Medienrecherche durchgeführt. Sie fand es aber besonders interessant sowohl Melina als Betroffener als auch euch Schüler*innen eigene Fragen stellen zu können. Daher möchte sie sich an dieser Stelle bei Melina und allen anderen Personen bedanken, die sie bei der Arbeit an ihrem Artikel unterstützt haben.

Da es sich um ein sehr persönliches Thema handelt, hat Didem sich auch intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, welche Fotos man dazu veröffentlichen kann, ohne die Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Ganz besonderer Dank geht daher auch an die Personen, die bei der Entstehung der Fotos beigetragen haben.

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